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Les Argovies - Identität des Dazwischen | Forêt en plus

Am Beispiel der Waldstadt Lenzburg werden um den Rupperswiler Wald die Gemeinden zur Ringstadt verdichtet, in deren Mitte sich der Wald zum Central Park wandelt © Gruppe Bibergeil

24. Mai 2022
Gruppe Bibergeil | Baukultur persönlich

Les Argovies - Identität des Dazwischen | Forêt en plus

Um sich einem Ziel anzunähern braucht es eine Vision. Deshalb ist es für die Erneuerungsfähigkeit einer Gesellschaft unerlässlich sich mit Zukunftsbildern zu beschäftigen.

Ausgehend von einer Haltung, die voraussetzt, dass die ‚Landschaft als Raum’ aktiv gestaltet werden muss, entwickelt die Gruppe Bibergeil Konzepte und Strategien zur räumlichen Entwicklung des Kantons Aargau, mit denen ein vielbeachteter öffentlicher Diskurs in Gang gesetzt worden ist.

Die erste Arbeit mit dem Titel ‚Les Argovies - Identität des Dazwischen’ stellt die Frage nach Alternativen zum heutigen, gleichmässig über die Landschaft verteilten Siedlungswachstum, welches trotz Raumplanung letztlich zu einer Verbreiung des Landschaftsraumes führt. Aufgrund einer präzisen Analyse der unterschiedlich charakterisierten Landschaften des Aargaus zeigt die Arbeit raumplanerische Strategien auf, welche die landschaftliche Gestalt zu stärken vermögen. Dazu gehört das Konzept des selektiven Wachstums, wo am Beispiel der ‚Waldstadt Lenzburg’ die Chance aufgezeigt wird, mittels des Siedlungszuwachses die Landschaft zu formen statt zu zerstören. Rund um den Rupperswiler Wald werden die einzelnen Gemeinden zur Ringstadt verdichtet, in deren Mitte sich der Wald zum ‚Central Park’ wandelt. Dank dieser räumlichen Konzentration lässt sich in den landschaftlich geprägten Südtälern eine weitere Zersiedelung vermeiden.

Les Argovies - Identität des Dazwischen | Forêt en plus

Landschaftliche Gliederung des Kantons Aargau: Gletscher und Wasser haben eine kleinräumige Landschaft mit spezifischer Struktur geschaffen. Von der Aare geht eine Serie von Südtälern ab, welche jeweils durch Bergrücken voneinander getrennt sind. Am Wasserschloss münden Reuss und Limmat in die Aare, welche anschliessend den Jura durchschneidet, um in den Rhein zu fliessen © Gruppe Bibergeil

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Selektives versus unspezifisches Wachstum: Selektives Wachsen und Schrumpfen ermöglichen es, den Siedlungs- und Kulturlandfächen eine wahrnehmbare Gestalt zu verleihen, welche sich aus den Bedingungen von Landschaft und Topografie entwickelt. Unspezifisches Wachstum hingegen führt zu einer konzentrischen Anlagerung neuer Baugebiete an die Ortskerne. In der Folge breiten sich die Dörfer in die Landschaft aus, sie ‚fransen aus’. Mit zunehmender Grösse verwachsen diese ausgefransten Gebilde ineinander. Bebauung und Landschaft als sich bedingender Gegensatz werden nicht mehr wahrgenommen und die Differenzierung von städtischen Zentren und ländlichen Dörfern geht verloren © Gruppe Bibergeil

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Synchrone Entwicklung von Stadt und Land: Die Waldstadt an der Aare und das Landwirtschaftsgebiet im Seetal werden synchron entwickelt und bedingen sich gegenseitig © Gruppe Bibergeil

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Vision einer Städtekette als Antithese zur Bandstadt: Die Kleinstädte Brugg, Lenzburg, Aarau und Olten bilden regionale Zentren und stehen in einer Beziehung zu den angrenzenden landwirtschaftlich geprägten Südtälern © Gruppe Bibergeil

‚Forêt en plus’ - die neueste Arbeit der Gruppe Bibergeil - widmet sich dem Wald als Element des Landschaftsraums. Ausgangslage bildet dabei die wissenschaftliche Erkenntnis, dass für eine massgebliche Reduktion des Kohlenstoffgehaltes der Atmosphäre, welche zur Vermeidung einer Klimakatastrophe notwendig wäre, weltweit 25 Prozent zusätzlicher Wald gepflanzt werden müsste. Mittels Case Studies wurde das Potential dieser Wälder für eine landschaftliche Überformung des Aargaus untersucht. Daraus entstand der ‚Zukunftsplan Wald’ mit einem Viertel zusätzlichen Wald. Dieser setzt auf eine nach räumlichen Kriterien gestaltete Koexistenz von Siedlungs-, Landwirtschafts- und Waldflächen. Er stellt damit eine Antithese zur gegenwärtigen Raumplanung mit unverrückbaren Waldgrenzen dar. ‚Forêt en plus’ bedeutet jedoch nicht bloss ‚mehr Wald’. Denn ein von gesetzlichen Restriktionen befreiter Wald macht denkbar, was bisher unrealistisch war, nämlich das Wohnen im Wald. Deshalb widmete das Institut Architektur der FHNW ein Semester des Masterstudienganges der von der Gruppe Bibergeil proklamierten ‚Waldstadt Lenzburg’ und liess die Studierenden mit konkreten Projekten das Potenzial einer Durchdringung von Wald und Siedlung untersuchen.

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Der ‚Zukunftsplan Wald’ stellt eine mögliche räumliche Zuordnung von 25 Prozent zusätzlichem Wald im Kanton Aargau dar. Die neuen Waldgebiete fügen sich mit den bestehenden Wäldern, Landwirtschafts- und Siedlungsflächen zu einem neuen landschafsräumlichen Ganzen. Als ‚Forêt en plus’ schafft dieser Mehrwald über seine Funktion als klimarelevanter Kohlenstoffspeicher hinaus bedeutende Mehrwerte für Natur und Gesellschaft © Gruppe Bibergeil

‚Forêt en plus’ gestaltet die Landschaft.

Gemäss der Strategie des ‚selektiven Wachstums’ überformt der Mehrwald die Landschafsräume und stärkt deren unterschiedliche Charaktere.

‚Forêt en plus’ reduziert die Hitze und stärkt die Biodiversität.

Der Mehrwald verbessert das Mikroklima, indem kühlende Luftströme in angrenzende Siedlungsräume fiessen. Zudem vernetzt er isolierte Waldinseln zu grossräumigen Waldreservaten.

‚Forêt en plus’ schafft neuartigen, nachhaltigen Lebensraum.

Er ermöglicht eine zukunftsweisende Nahrungsmittelproduktion in Form von Waldweidewirtschaft und Permakulturen. Als Waldpark bietet er Raum für Freizeit und Erholung. Und dort, wo sich Mehrwald und Siedlungsgebiet überlagern, entsteht neuartiges Waldwohnen.

Case Study Mettauertal:

Die sanft in die Topografie gelegten Waldkonturen des Mehrwaldes fassen die Talschaft zu einer zusammenhängenden Landschaftskammer.

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Landschaftskammer Mettauertal mit neuen Waldplanzungen in Pink © Gruppe Bibergeil

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Luftbild Vision Landschaftskammer Mettauertal mit ‚Forêt en plus’ © Gruppe Bibergeil

Die Gruppe Bibergeil wird heute von Fachkreisen, Politik und Presse als wichtige Stimme im raumplanerischen Diskurs auch über die Kantonsgrenzen hinaus wahrgenommen. Die landschaftsräumliche Interpretation des Aargaus, wie sie die Gruppe Bibergeil aufgezeigt hat, ist breit akzeptiert und diente schon wiederholt als Basis weiterer Planungen und Studien. Leider ist der von der kantonalen Abteilung für Raumentwicklung versprochene Auftrag für die Erarbeitung eines Zukunftsbildes für den Aargau bislang ausgeblieben.

Gruppe Bibergeil

Die Gruppe Bibergeil wurde 2013 gegründet. Der Name steht für eine Kooperation folgender Architekten und Landschaftsarchitekten: Liechti Graf Zumsteg, Brugg, Meier Leder Architekten, Baden, Schneider & Schneider Architekten, Aarau, Studio Vulkan, Zürich (bis 2015) sowie Rainer Zulauf Landschaftsarchitekt, Baden. www.bibergeil.ch


Die Gruppe Bibergeil entwickelt Thesen, Strategien und Konzepte zur land-schafsräumlichen Entwicklung des Kantons Aargau. Diese werden in dem im Eigenverlag herausgegebenen ‚Bibergeil Anzeiger’ publiziert. Da die Gestaltung des Lebensraumes einerseits eine planerische Angelegenheit darstellt, zum andern jedoch einen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess bedingt, führt die Gruppe Bibergeil regelmässig vielbeachtete öffentliche Podiumsdiskussionen und Symposien durch. In Zusammenarbeit mit der FHNW, Institut Architektur, wurde 2020 im Masterstudiengang ein Semester zum Thema ‚Waldstadt’ durchgeführt.


Gruppe Bibergeil: v.l.n.r. Rainer Zulauf, Rolf Meier, Martin Leder, Thomas Schneider, Beat Schneider, Lukas Zumsteg, Daniela Valentini, Andreas Graf, Peggy Liechti



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