Fünfte Tagung in der Universität St.Gallen / SQUARE © Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
18. Dezember 2025
Stiftung Baukultur Schweiz | Baukultur persönlich
Rendite baukulturell verstehen
Die diesjährige Jahrestagung zum Thema «Baukultur und Rendite», durchgeführt in Zusammenarbeit mit der Universität St.Gallen, machte deutlich: Rendite ist mehr als eine finanzielle Kennzahl. Sie ist ein wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Faktor – und damit zentral für die Qualität unserer gebauten Umwelt. Mit der Lancierung des «Kodex hohe Baukultur» setzte die Stiftung Baukultur Schweiz zum Abschluss der Tagung ein klares Zeichen für eine ganzheitlich verstandene Baukultur.
Am 12. November 2025 trafen sich rund 200 Interessierte im SQUARE der Universität St.Gallen, um gemeinsam in die Dimensionen der Rendite einzutauchen. Als renommierte Wirtschaftsuniversität bot sie einen geeigneten Rahmen für die Auseinandersetzung mit einem Begriff, der das Planen und Bauen wesentlich prägt. Nach einführenden Worten von Enrico Slongo (Präsident Stiftung Baukultur Schweiz), Erol Doguoglu (Kantonsbaumeister St.Gallen) und Prof. Dr. Roland Füss (Swiss Institute of Banking and Finance, sbf-HSG) war klar: Die Qualitätskrise des Gebauten besteht auch in der Schweiz fort. Baukultur, so betonte Erol Doguoglu, sei dabei in erster Linie eine Frage der Haltung, nicht der Kosten.
Enrico Slongo begrüsst die Teilnehmenden zu Beginn der Veranstaltung. © Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
Erol Doguoglu spricht über die Qualitätskrise im Bauen. © Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
Warum aber scheitert die hohe Baukultur in der Praxis immer wieder, und welche Rolle kommt der Rendite dabei zu? Die Tagung ging dieser Frage mit einem bewusst breiten Verständnis von Rendite nach. In Referaten und Podiumsdiskussionen wurde sie als wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Faktor beleuchtet. Wirtschaftsprofessor und Organisator der Tagung Dr. Roland Füss ordnete zu Beginn ein, dass aus ökonomischer Sicht ein Marktversagen vorliege: Qualität würde oft kurzfristig nicht erkannt, sodass schnell und kostengünstig gebaut würde. Zudem entsteht ein strukturelles Ungleichgewicht, wenn Investitionen in hohe Baukultur nicht nur dem eigenen Projekt, sondern auch dem Umfeld zugutekommen.
Prof. Roland Füss führt in das Tagungsthema ein. © Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
Finanzieller Erfolgsfaktor
Die Messbarkeit von Baukultur stellt eine zentrale Herausforderung dar. In der ersten Keynote zeigte Prof. Dr. Gabriel M. Ahlfeldt, Professor für Ökonometrie an der Humboldt-Universität zu Berlin, Wege auf, wie sich Baukultur anhand quantitativer Ansätze erfassen lässt. Auf Grundlage gross angelegter Studien legte er dar, dass Gebäude hoher Baukultur im Durchschnitt rund 15 % höhere Preise oder Mieten erzielen. Auch benachbarte Immobilien profitieren: Ihr Wert steigt im Schnitt um etwa 9 %. Hohe Baukultur erzeugt damit einen geteilten Nutzen – und zugleich ein Trittbrettfahrerproblem, wenn andere von der Investition profitieren, ohne selbst Verantwortung zu übernehmen.
Prof. Ahlfeldt stellt seine quantitativen Forschungen vor. © Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
Im anschliessenden Podium diskutierten Fachpersonen aus der Wirtschaft, wie sich diese Effekte in der Praxis zeigen. Die Diskussionen bestätigten die positiven wirtschaftlichen Wirkungen hoher Baukultur, verwiesen jedoch auch auf die Grenzen quantitativer Modelle. Komplexe Zusammenhänge müssen vereinfacht werden, um messbar zu sein. Gleichwohl können solche Modelle belastbare Daten liefern und als Grundlage für fundierte Entscheidungen dienen. Einigkeit bestand darin, dass hohe Baukultur Verantwortung und Zusammenarbeit aller beteiligten Akteur:innen verlangt.
Ab dem ersten Podium mit Gabriela Theus, Dr. Stefan Fahrländer, Stefan Bingisser und Johannes Eisenhut stimmen die Besuchenden jeweils in Echtzeit zu baukulturellen Fragen ab. © Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
Ökologische und soziale Rendite
Im Themenblock zur ökologischen Dimension der Rendite zeigte Dr. Franz Fuerst, Professor für Real Estate und Stadtökonomik an der University of Cambridge, den Einfluss städtebaulicher Typologien auf Energieverbrauch und Emissionen. So weist etwa die Blockrandbebauung in Paris eine günstigere ökologische Bilanz auf als das Hochhausraster von New York. Diese Erkenntnisse unterstreichen die zentrale Rolle der Raumplanung für die Qualität der gebauten Umwelt. In seinem Vortrag stellte Fuerst ebenfalls Forschungen vor, in denen ökologischer Mehrwert in Kombination damit thematisiert wird, ob Gebäude und Lebensräume gesund sind. Er wies dabei auch auf die Schnittmenge hin zwischen ökologisch ungünstigen und gesundheitsschädlichen Effekten – wie etwa schlechte Luftqualität.
Prof. Franz Fuerst gibt Einblick in die ökologische Dimension der Baukultur. © Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
Die soziale Dimension der Baukultur thematisierte die Keynote von Tanja Sprünken, Architektin bei Baumschlager Eberle. Sie erläuterte, wie qualitätsvolle Architektur Resilienz, Identität und Inklusion fördern kann. In der anschliessenden Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass soziale Qualitäten häufig erst im Laufe der Nutzung entstehen. Quartiere entwickeln sich durch Aneignung und gemeinsames Leben. Die Langlebigkeit ist somit nicht nur im ökologischen, sondern auch im sozialen Sinne ein zentrales Thema. Kurzfristige Perspektiven erweisen sich ökologisch und sozial als wenig tragfähig. Gebäude und Quartiere über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg zu betrachten, bleibt ein wesentlicher Schritt hin zu nachhaltigem Planen und Bauen.
Tanja Sprünken (links im Bild) nimmt nach ihrer Keynote an der Podiumsdiskussion mit Daniel Baumann, Florian Kessler und Dr. Nathanea Elte teil. © Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
Im Kontext der Zeitlichkeit von Baukultur verwies Stefan Meier von Wüest Partner zudem auf die Suffizienz. Für diese gebe es keine zusätzlichen Honorare, und sie gehöre bislang nicht zum gängigen Repertoire. Suffizienz verweist auf die Fähigkeit, Grenzen und Möglichkeiten von Ressourcen, Flächen, Eingriffen und Erwartungen bewusst zu reflektieren. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Denken und Handeln schärft dabei die Haltung.
In der Podiumsdiskussion zur ökologischen Rendite mit Christian Schnieper, Stefan Meier, Martin Schriener und Dr. Johannes Gantner rückte auch Suffizienz in den Fokus. © Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
Eine Haltung für die Praxis: Kodex hohe Baukultur
Hohe Baukultur erfordert eine bewusste Haltung. Sie bildet den Ausgangspunkt für Entscheidungen, die wirtschaftliche, ökologische und soziale Dimensionen zusammendenken. Um diese Haltung in der Schweiz zu stärken, lancierte die Stiftung Baukultur Schweiz am Folgetag der Tagung in St.Gallen den «Kodex hohe Baukultur». Bereits 24 Akteur:innen aus Wirtschaft, Politik und Planung haben sich mit ihrer Unterschrift freiwillig zu einer Praxis hoher Baukultur im Sinne der Davoser Qualitätskriterien bekannt.
Die Erstunterzeichnenden des «Kodex hohe Baukultur» in St.Gallen. © Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
Der Kodex verbindet Haltung mit konkretem Handeln. Er fordert dazu auf, im eigenen Verantwortungsbereich die Qualität der gebauten Umwelt langfristig zu fördern. Der Kodex ist online einsehbar und kann von allen interessierten Akteur:innen unterzeichnet werden: Kodex hohe Baukultur
Die diesjährige Jahrestagung hat gezeigt, dass ein pluralistisches Verständnis von Rendite kein Widerspruch zur Baukultur darstellt. Im Gegenteil: Wer Rendite ganzheitlich denkt, erkennt in hoher Baukultur einen gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Wert. Der letzte Programmpunkt, die Vorstellungen dreier studentischer Projekte zur Baukultur in der Gemeinde (Swiss Case Studies), zeigte, dass hohe Baukultur nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Forschung und Lehre weiter gefördert wird. Hohe Baukultur stärkt das soziale Miteinander, schützt die Umwelt und wirkt langfristig als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor. Wer sich zu hoher Baukultur im Sinne des «Kodex hohe Baukultur» bekennt, denkt und handelt in dieser Mehrdimensionalität.
Paula Kiener präsentiert eines von drei Projekten, die im Rahmen der Swiss Case Studies von Architekturhochschulen erarbeitet wurden. © Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
SQUARE, Universität St.Gallen. Er wurde vom japanischen Architekten Sou Fujimoto entworfen. © Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
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Nächste Jahrestagung am 11./12. November 2026
an der Hochschule Luzern
Stiftung Baukultur Schweiz
Die Stiftung Baukultur Schweiz ist eine nationale, neutrale und politisch unabhängige Stiftung. Im Frühjahr 2020 gegründet, bringt sie Akteure zusammen, schafft Plattformen, initiiert Prozesse und macht sich stark für jene, welche die Grundlagen der Baukultur inhaltlich ausarbeiten oder diese in der Praxis umsetzen.
Einige Impressionen
© Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
© Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
© Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
© Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
© Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
© Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
© Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
© Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
© Stiftung Baukultur Schweiz – Fotograf: Conrad von Schubert
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