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Was wir von Alpiner Baukultur lernen können

Ortsstockhaus © Hannes Henz

14. Juni 2022
Marc Pfister | Baukultur persönlich

Was wir von Alpiner Baukultur lernen können

Bauen in den Alpen heisst Chalet, Hotelkasten und Bauernhaus. Nicht ganz: Eine blühende Baukultur setzt mit viel Mut innovative Trends für die Zukunft.

Reuthe, Valendas, Sluderno oder Ghesc heissen Preisträger von Constructive Alps: ein internationaler Architekturpreis für nachhaltiges Bauen und Sanieren. Die Schweiz und Liechtenstein zeichnen damit kreative Trendsetter der alpinen Baukultur aus. «Baukultur» bedeutet für uns insbesondere auch zukunftsfähige Gebäude zu entwickeln. 2050 gibt es vielleicht keine zeitgenössische Baukultur mehr ohne Klimaverträglichkeit, denn nur so lassen sich unsere Klimaziele erreichen. Mit dem Wettbewerb suchen wir beim Bundesamt für Raumentwicklung seit über 10 Jahren die innovativsten Beispiele in den Alpen: Drei Gedanken zur Baukultur aus dieser Geschichte möchte ich hier teilen.

Weshalb findet man in Alpentälern Spitzenarchitektur.

Wer in den Alpen lebte, musste sich ständig wechselnden Bedingungen anpassen. Früher waren die Alpen das Armenhaus Europas. Wer blieb, musste sich auf seine Mitmenschen und sein Geschick verlassen und darauf, dass sein Hab und Gut lange hält. Die Bedingungen haben sich zwar grundlegend geändert, dennoch halten Klima, Zu- und Abwanderung, Digitalisierung oder Tourismus neue Herausforderungen bereit. Gewiss, bei weitem ist nicht alles, was in den Alpen gebaut wird nachhaltig – aber Kerngedanken der Nachhaltigkeit, handwerkliches Wissen und Innovationsgeist lassen sich im alpinen Selbstverständnis vielerorts finden und inspirieren Baukultur weit über die Berge hinaus. Ein genauerer Blick lohnt sich.

Was wir von Alpiner Baukultur lernen können

Schmugglerbande bei Soglio 1898 © ETH Bildarchiv

Was wir von Alpiner Baukultur lernen können

Tourismus in Laax rund 100 Jahre später © Comet Photo AG (Zürich)

Wie wollen wir bauen:

Die Alpen sind ein ökologisch fragiler Raum, unter Druck durch unser Wirken. «Weniger ist mehr» bedeutet 2022 weniger neu bauen, weniger verbrauchen. Gebäude müssen wieder eher für 300 statt 30 Jahre leben können. Unterstützen wir dies durch kreatives Recyceln, Sanieren und neu Nutzen von Bestand. Bei Neubauten gilt es Umnutzung und Recycling bereits im Konzept mitzudenken und kurze Wege für Material und bei der Benutzung zu suchen.

Was wir von Alpiner Baukultur lernen können

Wohnsiedlung «Wir inHAUSer» in Salzburg (AT). Konsequentes Recycling und Verdichten mit Rücksicht auf den Fussabdruck © vogl-perspektive

Gebäude müssen heute immer mehr können und verbrauchen damit viel Energie und Ressourcen. Alle, die in einem älteren Gebäude wohnen oder arbeiten, wissen, dass es nicht wirklich viel braucht, um alltagstauglich zu sein. Suffizienz und Low-Tech schaffen energiesparende und wartungsarme Gebäude: Inspiration geben beispielsweise traditionelle Ökonomiegebäude. Ökologische Baustoffe sind ebenso wichtig: Stein, Holz oder Lehm, am besten aus der Umgebung. Die Vorarlberger sind das Mass der Dinge im modernen Holzbau, weil dieses Handwerk dort einen hohen Stellenwert hat. Die Standardlösungen der Bauindustrie bieten nur wenig nachhaltige Optionen. Architekt:innen und Auftraggeber:innen müssen hier gemeinsam viel bewegen.

Was wir von Alpiner Baukultur lernen können

Landwirtschaftliches Zentrum in Salez. Systematischer Low-Tech Ansatz mit natürlichen Materialien und langfristigem Nutzungskonzept © Seraina Wirz

Was können wir ins «Flachland» mitnehmen:

Am Ende bestimmt die Konstellation von Akteur:innen, Kosten und Wissen über Möglichkeiten. Aber Bauen in den Alpen ist ein Aufruf zu mehr Kreativität in der Architektur und zu mehr Wertschätzung von Natur und Gesellschaft. Die Projekte von «Constructive Alps» sind ein Schatz an guten Beispielen. Sie bieten Inspiration mehr zu tun und nicht den bequemen Weg zu gehen. Vor allem aber sind sie ein Appell aufeinander zu zugehen: Nachhaltige Architektur entsteht im Dialog mit jungen Menschen in der Ausbildung, Bauherr:innen, Bewohner:innen und Nutzer:innen. Alle, die die Gedanken von nachhaltigem Sanieren und Bauen in ihr Umfeld tragen, sind somit Teil der Strategie Baukultur und der Erfolgsgeschichte von «Constructive Alps». Besuchen Sie uns auf www.constructivealps.net für die besten Beispiele.

Was wir von Alpiner Baukultur lernen können

Oeconomiegebäude Josef Weiss in Dornbirn (AT). Kreativer Umgang mit alter Bausubstanz funktioniert überall
© Angela Lamprecht

Marc Pfister

Marc Pfister *1992 in St. Gallen, arbeitet beim Bundesamt für Raumentwicklung ARE. In der Sektion Internationales betreut er dort Klima-, Architektur-, Raum- und Stadtentwicklungs-themen. Seit vier Jahren begleitet er den «Constructive Alps» Wettbewerb, welcher 2022 im Rahmen des Schweizer Vorsitzes der Alpenkonvention zum sechsten Mal ausgetragen wird. Marc Pfister hat Geografie und Geschichte studiert.

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